Kommentar zu
Eyal Weizmann 'Sperrzonen. Israels Architektur der Besatzung' +
Myra Warhaftig 'Sie legten den Grundstein'
Sperrzonen
Endlich ist eine Veröffentlichung eines israelischen Architekten auf dem deutschen Büchermarkt, der die Rolle von Architektur und Planung bei der Kolonisierung Palästinas enthüllt. Entsprechend gewürdigt bei den (wenigen) Kritikern Israelischer Besatzungspolitik spricht Weizman eine offene Sprache und benennt den gewaltsamen Charakter einer bewussten Architektur, die die Zerstörung Palästinensischer Landschaft, Identität und Geschichte und schließlich der gesellschaftlichen Realität beabsichtigt und eine imaginierte jüdisch/zionistische ‚Realität in Stein und Beton‘ an die Stelle setzt.
Für jemanden, der dies seit Jahrzehnten verfolgt und beschrieben hat, ist dies nicht wirklich neu, aber die Hintergründe, die durch die Kenntnis der hebräischen Quellen und Dokumente und viel Insiderwissen des Autors viel deutlicher werden, zeigen noch einmal viel klarer die bewusste Anwendung von Planung und Architektur als Mittel der Besetzung und Eroberung Palästinas bis zum bitteren Ende des zionistischen Projektes. Der Versuch, diese Form einer Besatzungsarchitektur, die erwürgt, zerstört und auslöschen möchte, was vorher war, in einen architekturtheoretischen Kontext unter Globalisierungsaspekten zu setzen, macht die Lektüre noch einmal besonders interessant. Vor allem der Begriff des ‚Labor für Extremsituationen' – Irak, Afghanistan, Yemen, und wer weiss, was in der kommenden Zeit Südamerika erwartet – ergibt enormen, wenn auch traurigen Sinn für neue räumliche Techniken der Durchsetzung globaler Interessen an den Ressourcen anderer Völker. Ja, man muss davon ausgehen, dass ‚Raumordnung‘ und Raumplanung nur ein andere Form neokolonialer Politik ‚mit anderen Mitteln‘ darstellen.
Für jemanden, der dies seit Jahrzehnten verfolgt und beschrieben hat, ist dies nicht wirklich neu, aber die Hintergründe, die durch die Kenntnis der hebräischen Quellen und Dokumente und viel Insiderwissen des Autors viel deutlicher werden, zeigen noch einmal viel klarer die bewusste Anwendung von Planung und Architektur als Mittel der Besetzung und Eroberung Palästinas bis zum bitteren Ende des zionistischen Projektes. Der Versuch, diese Form einer Besatzungsarchitektur, die erwürgt, zerstört und auslöschen möchte, was vorher war, in einen architekturtheoretischen Kontext unter Globalisierungsaspekten zu setzen, macht die Lektüre noch einmal besonders interessant. Vor allem der Begriff des ‚Labor für Extremsituationen' – Irak, Afghanistan, Yemen, und wer weiss, was in der kommenden Zeit Südamerika erwartet – ergibt enormen, wenn auch traurigen Sinn für neue räumliche Techniken der Durchsetzung globaler Interessen an den Ressourcen anderer Völker. Ja, man muss davon ausgehen, dass ‚Raumordnung‘ und Raumplanung nur ein andere Form neokolonialer Politik ‚mit anderen Mitteln‘ darstellen.
Aber gilt dies nur für die 1967 Besetzten Gebiete Palästinas?
Ist die in einigen Rezensionen gezeigte Begeisterung deshalb so groß, weil die Kritik am Unrecht der Besatzung auch hierzulande angekommen und als akzeptabel empfunden worden ist, solange der Gründungsmythos Israels nicht angegriffen wird? Nur kurz gibt Weizman in dieser Veröffentlichung einen Hinweis darauf, dass das koloniale Projekt nicht erst mit der 1967er Besetzung anfängt. Den Mythos Israel als einzigartiges Land der ‚Demokratie und Moderne‘ im Nahen Osten mit vergleichbarer Sorgfalt und Insiderwissen aufzuspüren, wäre notwendig. Während nämlich dem illegalen Siedlungsprogramm oder besser Kolonialisierungsprogramm Israels in der West Bank und Ost Jerusalem offenbar keine Macht der Welt Einhalt gebieten kann oder will, die Zerstörung des historischen Jordantals durch ein gigantisches Kapitalprojekt keinen Kulturinteressierten auf die Barrikaden bringt, wird die so genannte ‚Weiße Stadt‘ Tel Avivs‘ in den Stand eines ‚Weltkulturerbes‘, die vorstaatliche Kolonisierung sozusagen in den ‚Adelsstand‘ erhoben.
Sie legten den Grundstein
Dazu passt ein ganz anderes Buch der deutsch-israelischen Architektin Myra Warhaftig ‚They Laid the Foundation‘, ‚Sie legten den Grundstein‘ über Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina von 1918 bis 1948. Es ist ein schönes Buch für Architekten, mit vielen Fotos und Plänen zu solchen Gebäuden wie die der ‚Weißen Stadt‘, Bauten der Moderne, viele von Bauhaus Architekten errichtet. Während die so genannten Pioniere, selbst begeisterte Zionisten, Modelle für zionistische Kollektivdörfer Kibbuzim und Moshavim entwarfen, arbeiteten Bauhaus Architekten v. a. an Visionen modernen jüdischen Lebens für den städtischen Raum, der Gartenstadt und schufen Repräsentativbauten in Tel Aviv, Haifa oder der Neustadt von Jerusalem.
Dazu passt ein ganz anderes Buch der deutsch-israelischen Architektin Myra Warhaftig ‚They Laid the Foundation‘, ‚Sie legten den Grundstein‘ über Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina von 1918 bis 1948. Es ist ein schönes Buch für Architekten, mit vielen Fotos und Plänen zu solchen Gebäuden wie die der ‚Weißen Stadt‘, Bauten der Moderne, viele von Bauhaus Architekten errichtet. Während die so genannten Pioniere, selbst begeisterte Zionisten, Modelle für zionistische Kollektivdörfer Kibbuzim und Moshavim entwarfen, arbeiteten Bauhaus Architekten v. a. an Visionen modernen jüdischen Lebens für den städtischen Raum, der Gartenstadt und schufen Repräsentativbauten in Tel Aviv, Haifa oder der Neustadt von Jerusalem.
Fotos: 1. Moshavim Ovadim 1922 Arch. R. Kaufmann; 2. Residenz Kupfermann, 1936, Haifa, Arch. Arieh Sharon 3. Tivon Garden Town, Siteplan, 1940, Arch. Klein, 4. Gartenstadt Kiryat Gad 1950, Arch. Glikson;
Mit keinem Wort ist in Warhaftigs‘ Würdigung dieser Architekten von Landnahme oder Konflikten mit der autochthonen Bevölkerung die Rede, und passt zu der Dissertation Erika Spiegels zu den '30 New Towns' in Israel aus den 1950er Jahren. Es scheint nur einen formellen Widerspruch zwischen europäischer Moderne und ‚arabischer‘ Bauform zu geben, die einige Architekten durch Ornamentales und den Jerusalemer Stein, eine englische Bau-Auflage, zu harmonisieren versuchten. Dem zum Trotz bleibt auffällig, dass Masterpläne auch damals schon, vor 1948, den Charakter von Wehrdörfern und Wehrsiedlungen trugen. Der herausragende Architekt des ‚Erez Israel‘ war Richard Kauffmann, der über 400 ‚Siedlungen‘ plante und baute, ländliche wie städtische und dazu 160 öffentliche und private Gebäude.
Solche Architekten bildeten und bilden spätere Generationen Architekten am Technion in Haifa aus. Sie wurden ‚Frontsoldaten‘ der räumlichen Kolonisierung nach 1948 in Israel, nachdem die bewaffneten Milizen 750.000 Palästinenser aus dem Raum Israel vertrieben hatten. Insofern steht die von Weizman analysierte Sperrzonen Architektur durchaus in dieser vorstaatlichen und vor-1967er Tradition. Traurig ist jedoch, dass die vielen aus Deutschland vor dem Faschismus geflüchteten Architekten das zionistische Projekt Israel widerspruchslos vervollkommnet haben.
Eyal Weizman und wenige andere machen da eine hoffnungsvolle Ausnahme.
Weizman, Eyal (2008): Sperrzonen. Israels Architektur der Besatzung. Deutsche Ausgabe. Nautilus. Hamburg
Warhaftig, Myra (2007): They laid the foundation. Lives and works of German speaking Jewish Architects in Palestine 1918-1948. Second edition, revised and enlarged. Wasmuth. Berlin
Eyal Weizman, Tel Aviv/London ist Architekt und Aktivist mit entsprechenden Veröffentlichungen und Beteiligung an Aktionen wie der Ausstellung ‘Decolonizing Architecture’, ein Beitrag zur letzten Architektur Biennale in Venedig
Myra Warhaftig, in Haifa geboren und 2008 in Berlin verstorben, war deutsch-israelische Architektin und Schriftstellerin mit Veröffentlichungen u.a. in der Bauwelt