Montag, 30. März 2009

Tag des Bodens: Rettet Jerusalem, die arabische Kulturhauptstadt 2009

Tag des Bodens, Joum Al Ard, 30. März – aktuell muss es gegen die ‚Judaisierung‘ Jerusalems gehen
Während die Welt um die Recht- oder Unrechtmäßigkeit des weißen Phosphors in Israels jüngstem Gaza Krieg debattiert, setzt Israel ungeschoren und aggressiv die Kolonisierung Palästinas fort. In Um El Fahem, Akka, Jaffa und Nazareth, den immer noch palästinensischen Städten Israels werden Bewohner angegriffen, Autos zerstört, Bibliotheken geplündert, um die Palästinenser zur Flucht zu bewegen, oder den ‚Transfer‘ vorzubereiten.
In der West Bank in Hebron setzen die ‚Siedler‘ die Besetzung von Häusern in der Altstadt fort und bedrohen die gesamte Stadt; Jenin und Nablus werden jede Nacht von Verhaftungen und Militärs bedroht; ‚Die Nacht gehört den Israelis‘ sagen die Bewohner und fürchten sich vor dem Abend. Auch hier geht es um weitere Kolonisierung durch ‚Siedler‘ und um Vertreibung der Palästinenser.
Höchst gefährdet und bedroht ist seit längerem das palästinensische (Ost-) Jerusalem. Bewohner werden ausgewiesen, Identitätspapiere abgenommen, die bescheiden vom Tourismus abhängige Wirtschaft zerstört. Häuser werden abgerissen, die Umgebung der Altstadt und die Vorstadtviertel von Siedlern und neuen Kolonien durchsetzt und in jedem dieser dicht bewohnten palästinensischen Viertel zerstören Siedlungen das ehemals friedliche Alltagsleben. in Souwane, Silwan, Sheyah, Abu Tur, Musrara, Esawira, Beit Hanina, Shuafat, Sheich Jerah, Anata, Wadi Joz, Ras al Amud, El Ezariya, Abu Dis, Isawiye, Sur Bahir, Safafa, Jibl al Mukabr usw.. In der Jerusalemer Altstadt demonstrieren inzwischen nicht nur einmal im Jahr an dem sogenannten ‚Jerusalem Tag‘, sondern fast wöchentlich und bald täglich hoch bewaffnete Gruppen Israelis in den palästinensischen Altstadtvierteln, bedrohen die Geschäftsleute, fordern die Schließung ihrer Läden und schreien ihr ‚ Araber raus, Jerusalem ist jüdisch‘ durch die Gassen. Immer mehr Häuser werden besetzt, die historischen Viertel Stück für Stück von und für Juden ‚erobert‘: Abu Laqlaq, Khalidiye, Al Ward, Silsiye, Muristan, Jaffa Gate, Damascus Gate, Lions Gate, Via Dolorosa, die Zitadelle. Mehr und mehr wird das Leben auch in der Altstadt durch Siedler, Militär und Polizei unsicher und kaum noch auszuhalten. Die Absicht ist auch hier klar: Judaisierung und Fakten schaffen, bis endgültig die Menschen die Stadt verlassen und die Identität dieser wunderschönen Stadt der drei großen Monotheistischen Religionen verschwunden ist und sie sich bis zur Unkenntlichkeit in ein jüdisches Ghetto verwandelt hat. (Waltz 2000)
Das Israelische Statistikbüro (Israeli Central Bureau of Statistics ICBS) zählte 2008 290.000 israelische (jüdische) ‚Siedler‘ in 120 sogenannten ‚autorisierten‘ (von wem?)Kolonien in der West Bank – dazu 200.000 in den sogenannten Aussenposten (wohin?) (‚outposts‘) in den 15 Kolonien im palästinensischen Ost Jerusalem. Allein im Jahr 2008 sind die bestehenden Kolonien nach Berichten der israelischen Bewegung ‚Peace Now‘ gegenüber dem Jahr 2007 um 80 % erweitert worden, ebenso die Kolonien in Ost Jerusalem, die im Schatten des Gaza Krieges expandieren. 2005 veröffentlichte die Israelische Regierung den Master Plan Jerusalem 2020 (so etwas wie ein Flächennutzungsplan in der deutschen Planung) und 2008 den District Jerusalem Master Plan, die beide weitere Gebiete palästinensischen Bodens rein israelischer Nutzung durch Enteignung unterwerfen - gegen internationales Recht, z.B. gegen die Genfer Konvention, die eine demografische und räumliche Veränderung in besetzten Gebieten durch die Besatzungsmacht verbietet und gegen die vielen UN Beschlüsse, die die Besetzung und Einverleibung Ost (dem palästinensischen) Jerusalem mehrfach geächtet und den Rückzug wie aus den übrigen 1967 besetzten Gebieten gefordert haben. Nach den neuesten Plänen sollen die illegalen Kolonien Maale Adumim, Givat Zeev, Efrat, Geva Benyamin und Ariel verdoppelt und die palästinensischen Stadtteile Ost-Jerusalem durch weitere Kolonie-Barrieren und der Mauer voneinander isoliert und die Menschen voneinander getrennt werden. Die ‚Siedler‘ erhalten immer größeren Aktionsraum für ihre Aggressionen und Übergriffe auf die autochthonen palästinensischen Einwohner der Stadt. Mit dem sogenannten ‚Groß Jerusalem Plan‘ (Greater oder Metropolitan Jerusalem Plan) wird damit noch dazu die Annexion weiterer Gebiete der West Bank vorangetrieben, bis nach Ramallah, Bethlehem und hinunter zum Jordan Tal. (ARIJ 2009, Issac 2007)
1. UN Jerusalem 'corpus separatum 2. Grenzveränderungen 1947 - 2003 3. Metropolitan Plan
Seit 1947 haben die israelischen Regierungen die Größe Jerusalem gegenüber der damaligen Situation widerrechtlich um das Zehnfache vergrößert: ein gewaltigerer Landraub, der de facto dem Zionistischen Plan von einem Groß Israel in den von Lord Balfour 1917 versprochenen Grenzen des Englischen Mandats immer näher kommt und noch kein Ende gefunden hat. Jerusalem ist ein Eckpfeiler dieser Usurpation. 1967 erklärte das Israelische Parlament, die ‚Knesset’, als Israels ‚ewige, vereinte Hauptstadt‘, unterwarf die Stadt vollkommener israelischer Verwaltungshoheit, vertrieb die nicht jüdischen Einwohner aus dem historischen jüdischen Viertel der Altstadt, setzte Verwaltung und Bürgermeister ab, schloss die arabischen Banken und machte seine Einwohner zu ‚Bewohner mit zeitlich begrenztem Aufenthaltsrecht‘, um sie in den weiteren Jahren auszubürgern nach erfundenen Zwangsregelungen.
Nach der Besetzung 1967 wurden gleichzeitig die Jerusalem Stadt- Grenzen neu festgelegt, um die demografische Mehrheit der Juden in Jerusalem zu sichern. ‚die Lage der neuen Grenzen ist so entschieden worden, dass die sozio-demografischen Ziele der Politik Israels abgesichert wurden und folgte nicht einer bestimmten Planungslogik. Es lag im Interesse der Politik, solche Gebiete einzuschließen, die eine Kontrolle der strategisch wichtigen Stadtgebiete und der zentralen Zufahrtstraßen ermöglichten, bei gleichzeitigem Ausschluss der dicht besiedelten arabischen Gebiete um die gewünschte Relation von 75 zu 25% Juden zu Arabern zu gewährleisten.(Cohen 1993: 78)
Nach den jüngsten Planungen soll das Verhältnis in der Gesamtstadt zwischen ‚Arabern‘ und ‚Juden‘16% zu 84% betragen. Für die wachsende palästinensische Bevölkerung ist kaum Raum für Entwicklung vorgesehen, 85% des ehemals palästinensischen Bodenbesitzes wurden mittlerweile enteignet. Die Enteignung begann nach 1948 mit 40% nach dem sogenannten ‚Gesetz des Besitzes der Abwesenden‘ (Absentee Property Law) von 1950. Mit ‚abwesend‘ waren jene gemeint, die aus der Stadt geflüchtet waren und am Tag des Zensus nicht in ihrem Haus auf ihrem Boden angetroffen wurden, selbst wenn sie nur im Nachbardorf bei Verwandten Zuflucht gesucht hatten (Halper 2000). Nach 1967 mussten Verordnungen aus der Britischen Mandatszeit herhalten, um den Landraub zu kaschieren, nach denen damals ein relativ großer Teil des Landes um Jerusalem als landwirtschaftlich zu nutzend oder Naturreservat vorgesehen waren (Issac u.a. 2007, 2008).
Der gut gemeinte Versuch der arabischen Länder, Jerusalem zur arabischen Kulturhauptstadt zu erklären ohne dies auch tatkräftig zu sichern, scheint hilflos angesichts der geschilderten aggressiven Planungen Israels. Um dem ein Ende zu setzen sind Sanktionen, Boykott und ein Moratorium notwendig, das Israel zwingt, die Existenz eines palästinensischen Staates in sicheren Grenzen anzuerkennen und zu ermöglichen. Nur so wird der Weg zu einem Frieden im Nahen Osten frei.
Solange die Großmächte und die arabischen Länder aber zuschauen wird es keine Änderung geben. Wer also machts? Das Russel Tribunal über Israels Verbrechen?

Quellen:
ARIJ. Applied Research Institute – Jerusalem (ARIJ) (2009): Monitoring Israeli Colnisation Activities in the Palestinian Territories , March 2009
Halper, Jeff (2000) “The 94 Percent Solution: A Matrix of Control”. Middle East Report, 216, pp. 14-19.
ICBS, Israeli Central Bureau of Statistics (2008): national statistics
Issac, Jad et. al. (2007): “De-palestinization of Jerusalem”. (Unpublished).
Issac, Jad (2008): “Geo-demographical outlook for Jerusalem”. First International Conference on Urban Planning in Palestine, pp. 217-242.
Waltz, Viktoria, 2000: Jerusalem und das zionistische Projekt. Zwischen Alt- und Neustadt, zwischen Kosmopolitisierung und Ethnisierung einer Metropole; in: Konkel, Michael, Schuegraf, Oliver (Hg), 2000: Provokation Jerusalem. Eine Stadt im Schnittpunkt von Religion und Politik. Muenster, Aschendorff. Beitraege zum Symposium, Bonn-Jerusalem, 1998: 153-170