Sonntag, 19. Oktober 2008

Akka die gemischte Stadt in plötzlichem Aufruhr?

Die Nachrichten im wdr vom 12.10. fingen etwa so an: 'Palästinensische Jugendliche in Akko randalierten durch das jüdische Viertel und griffen jüdische Jugendliche an...'
Von Al Jazeera am 10.10. erfuhren wir, dass am Abend des Jom Kippur Festes in verschiedenen palästinensischen Städten (Jerusalem und Hebron z.B.) der West Bank und in Israel jüdische Jugendliche Palästinenser angriffen und diese palästinensische Jugendliche provozierten, was schließlich zu diversen Straßenschlachten führte. Knesset Mitglied Ahmad Tibi spricht sogar von einem 'Pogrom von jüdischen Bewohnern an Arabern'. Dass ein Moslem an einem jüdischen Feiertag mit seinem Auto durch eine jüdische Wohngegend fährt, mag nicht respektvoll sein, aber dass daraus gewaltsame Angriffe auf den Fahrer entstehen spricht eher dafür, dass Israel ein dogmatischer religiöser Staat ist, in dem Toleranz gegenüber den anderen kleinst geschrieben wird.
Olmert fordert 'no tolerance', die Öffentlichkeit gibt sich entsetzt über das Ausmaß der Feindseligkeiten, wo doch Akko immer als eine 'friedliche gemischte Stadt friedlicher Koexistenz' galt. Es war nicht der erste Zusammenstoß. Realität ist, dass eine 2007 eingerichtete israelische Kommission, die die Lage der 'Araber' in den palästinensischen Gebieten Israels untersuchen sollte, bereits von einem 'Pulverfass' warnte, 'das jederzeit hochgehen könne'. Kein Wunder, denn es ist ein offenes Geheimnis dass die palästinensischen Israelis Bürger 2. Klasse sind, denn der Staat definiert sich als jüdisch und nicht als eine gemischte Gesellschaft. Tatsache ist, dass in Akka mehr als ein Drittel der palästinensischen Bewohner der Altstadt unterhalb der Armutsgrenze lebt, dass vor allem die Jugendarbeitslosigkeit hoch ist und dass der Status der Palästinenser in der Stadt höchst prekär ist. Häuser sind vom Abriss und Bewohner von Vertreibung aus der Stadt bedroht. (siehe auch http://www.challenge-mag.com/en/article__149)

Israel ist nicht nur ein dogmatisch religiöser, sondern im Kern auch ein rassistischer Staat, denn alle Privilegien, die ein Staatsbürger genießen kann, sind den Palästinensern Israels durch die einfache Tatsache verwehrt, dass das soziale Sicherungssystem, der Erwerb von Sozial-Wohnungen zum Beispiel an den Armeedienst gekoppelt ist - wovon die große Mehrheit der Palästinenser ausgeschlossen ist. Aber selbst Drusen und Beduinen, die in der Armee Jobs finden können, erhalten diese Privilegien nicht. Auch das ist der Hintergrund der Unruhen. Ähnliche Verordnungen existieren zum Landerwerb, der Palästinensern unmöglich ist, denn der einst den Palästinensern geraubte Boden ist nationalisiert, allerdings nur jüdischen Käufern vorbehalten (siehe diverse Jahresberichte http://www.adalah.org/ ).

Akka oder Akko?
Das arabische Akka, das ist die Altstadt mit ihren historischen Bauten innerhalb mittelalterlicher Mauern, die Festung aus dem 13ten Jahrhundert, die Zitadelle, die große Karawanserei, Christliche Kirchen, die Al Jazar Moschee, der Bahai Tempel, das Al Basha Hamam, der Basar und viele historische Wohnhäuser. Diese Stadt wurde erst kürzlich auf die UNESCO Liste der bedrohten Orte des Weltkulturerbes gesetzt. (UNESCO list of " World Heritage in Danger" ).
Am 15./16. May 1948, nachdem Haifa bereits in die Hände zionistischer Milizen gefallen war, griff die Hagnah Akka an und die meisten Bürger flohen und wurden vertrieben. (siehe pappé: the etnic cleansing in Palestine, 2007). Mahmud Darwisch zu Beispiel wurde 1941 im heute nicht mehr existierenden galiläischen Dorf al-Barwa östlich der Hafenstadt Akka geboren. Im Jahr der Gründung des Staates Israels, 1948, musste er mit seiner Familie in den Libanon flüchten, kehrte dann - nach israelischem Gesetz illegal - in ein Dorf bei Akka zurück.

Akko - das ist die neue jüdische Stadt, die ab 1950 im Rahmen des 30 'New Towns' Städte Programms errichtet wurde, durch welches die weitere Kolonisierung des palästinensischen Landes und die Verteilung der europäischen Flüchtlinge und Migranten über das ganze Land besiegelt werden sollte. Dazu gehört zum Beispiel auch Nazareth Illit, eine neue Stadt, auf den Hügeln gegenüber dem historischen Nazareth erbaut, wo heute die zehnfache Bevölkerung verglichen mit der von 1948 auf derselben Stadtfläche dicht gedrängt leben muss, weil Baugenehmigungen auf dem eigenen Land außerhalb der historischen Stadt nicht erteilt werden. Akka's Zukunft - so die dogmatischen rechtszionistischen Gruppen in Akka, soll die Jaffas werden. Aus der historischen Altstadt von Jaffa, die die Israelis heute in Verdrehung der Geschichte die 'Altstadt Tel Avivs' nennen, sind nach 1948 die palästinensischen Bewohner vollständig vertrieben, historische islamische Stätten in Bars verwandelt, die wunderschönen alten Wohnhäuser zu Ateliers israelischer Künstler umgewandelt worden. In anderen sog. 'gemischten Städten' wie Lud, sind die 1948 vertriebenen palästinensischen Bewohner nach ihrer Rückkehr als 'Abwesende Anwesende' registriert , ihr Land enteignet worden und ihre inzwischen gebauten Wohnungen gelten als illegal und sind von Abriss bedroht - dies noch nach 60 Jahren Staatsgründung. (siehe http://www.merip.org/mer/mer223/223_yacobi.html und Benjamin Kedar: The changing land Between the Jordan and the Sea. Jersualem 1991:82)

Koexistenz?
Am 16. May 2007 machte Adalah eine Eingabe beim Höchsten Gericht http://www.adalah.org/newsletter/eng/ may07/3.php) um für acht palästinensische Geschäftsinhaber die Rücknahme einer Verordnung der Stadtverwaltung von Oktober 2002 zu erreichen, nach der in sogenannten 'gemischten Städten' mit einer 'jüdischen Mehrheit' am Samstag alle Geschäfte geschlossen werden müssen. Die acht Geschäftsinhaber waren Christen und Muslime, und wie in diesem Land nicht anders als in anderen arabischen Städten, etwa im palästinensichen Ost-Jerusalem schließen die Geschäftsleute an ihrem jeweiligen Feiertag, die einen am Freitag, die anderen am Sonntag, und noch andere am Samstag. In Alt Akka und den mehrheitlich palästinensisch bewohnten Nachbarschaften leben 12.000 Palästinenser auf engem Raum und machen etwa 27% der Bevölkerung von Alt- und Neu Akka zusammen aus. Alt Akka leidet ökonomisch und sozial an systematischer Vernachlässigung durch die israelischen Behörden. Wie in ganz Israel ist es den Palästinensern kaum möglich, ihre Stadt, die historischen Bauten und die Wohnhäuser zu renovieren - es gibt keine Genehmigungen oder es wird Abriss verordnet. Auch die Infrastruktur ist unzureichend, es fehlt an qualifizierten Schulen und weiterbildenden Einrichtungen. Akka gilt als eine der dichtest besiedelten Städte in Israel.

Vor allem die Jugendlichen sind betroffen und spucken ihre Gefühle aus gegen Diskriminierung und Rassismus. Rapper wie DAM und MWR, sprechen nicht nur für die palästinensischen Jugendlichen, sagen, was sie wirklich fühlen. Mahmoud, ein Rapper aus AKKA beschreibt es in einem Interview so: 'Hip-hop und rap Musik - das ist wie eine Waffe, es ist Kunst, eine Waffe, verstehst Du...Es ist eine Waffe, die die Wirklichkeit in der wir leben, nach außen schreit. Du sprichst für die Leute die Wahrheit aus, weißt Du. Du machst etwas - es ist wie ein Schuss. Ihr schießt mit der Waffe - wir schießen mit unserer Stimme.'
(http://news.sbs.com.au/dateline/palestinian_hip_hop_130344 )

RAP SONG (Translation): Take care! They've entered Palestine. Ruined houses, murdered people, orphans in the shadow of death. Why are we quiet about these criminals? The tables are turned, the world is against us. A land soaked with blood, people sick with worry, yet our Arab leaders don't give a stuff.

Darum geht es nicht nur in Akka.